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Schmidt: »Niebüll gehört in die Verbandsliga«

Trainer Bodo Schmidt im Interview, FL-Arena (Flensborg Avis – Sportredaktion) 18.03.2016 / Text und Interview: Marco Nehmer

Braucht den Kopf gar nicht so hängenlassen: Mit dem TSV Rot-Weiß Niebüll läuft es momentan vorzüglich für den Trainer Bodo Schmidt. (Foto: Marco Nehmer)

Niebüll. Mitte März, die Sonne lacht über Nordfriesland. Es ist trocken geblieben. Und so steht dem ersten Heimspiel des TSV Rot-Weiß Niebüll in der Rückrunde der Kreisklasse A Nordfriesland nichts mehr im Wege. Der Wettergott hat mitgespielt - sportlich hingegen braucht es keine Stoßgebete. Niebüll marschiert mit Siebenmeilenstiefeln und Ex-Bundesligaprofi Bodo Schmidt an der Seitenlinie der Kreisliga entgegen. Schmidt war vor der Saison geholt worden, um dem TSV wieder Leben einzuhauchen. In der Bedeutungslosigkeit versunken und im Vorjahr fast in die Kreisklasse B abgestiegen, soll Schmidt nun in Niebüll das Ruder herumreißen. »Es ging über Jahre bergab. Es geht jetzt darum, das Ganze wieder mit anzuschieben - wie weit und wie hoch, das muss man sehen«, so der 48-Jährige.

Rückkehr zu den Wurzeln

Für ihn persönlich ist es eine Rückkehr zu den Wurzeln. Einst bei Rot-Weiß groß geworden, schaffte es der Abwehrspieler bis zum gestandenen Bundesligaprofi, absolvierte zwischen 1991 und 1998 für Borussia Dortmund und den 1. FC Köln insgesamt 181 Spiele im Oberhaus. Bilanz: Zwei Meistertitel (1995, 1996), ein verlorenes UEFA-Cup-Finale gegen Juventus Turin (1993).
Seine Karriere beendete Schmidt in Flensburg, agierte als Spieler und Trainer bis 2007 bei »Nullacht«. Nach knapp acht Jahren beim SV Frisia 03 in der Verbandsliga in Verantwortung, sorgte der Rücktritt Schmidts und seines Trainerteams im Februar 2015 in der Region für Aufsehen. Nun zwei Schritte zurück. Warum? Um Schwung zu holen.
Leck, Lindholm, Langenhorn-Enge - sie alle spielen höherklassiger. Niebüll als Zentrum Südtonderns ist abgehängt. Das soll sich ändern. »Zumindest auf Augenhöhe« wolle man agieren, erklärt Schmidt (siehe Interview). Für den Moment sieht es gut aus: RW fegt als Tabellenführer durch die Kreisklasse, knackt bald die 100-Tore-Marke. Der Mix aus Alteingesessenen und vielen Ex-Frisia-Spielern passt.

Hervorragend zusammengerauft

»Die Mannschaft hat sich hervorragend zusammengerauft«, ist Schmidt voll des Lobes für seine Truppe, die das Projekt voll angenommen hat und nach dem Bekunden ihres Trainers nicht mit der Geldbörse, sondern mit der Perspektive zusammengehalten wird: »Die, die hier spielen, tun das, weil sie Lust dazu haben und vielleicht auch ein wenig die »Gründerzeit« mitmachen wollen.«
Bisher läuft also alles nach Plan. Auch an diesem strahlenden Sonntagnachmittag, der knapp 100 Zuschauer ins Walter-Rau-Stadion gelockt hat. Am Ende heißt es gegen den SV Dörpum II 13:0 - der bisher höchste Erfolg in einer an Kantersiegen wahrlich nicht armen Saison. Holprig ist heute nur der Rasen. Die Bälle verspringen der technisch starken Schmidt-Elf reihenweise.
Doch schweres Baugerät hinter der Westkurve zeugt von einem weiteren Meilenstein, der das Problem lösen könnte: Ein Kunstrasen kommt. Der erste in der Region. »Das wird uns helfen, die Qualität hochzuhalten«, so Schmidt, dem man die Leidenschaft für die »Herzenssache« TSV abnimmt. Es bewegt sich etwas in Niebüll - nach oben.

Das Interview

Flensborg Avis/FL-Arena: Herr Schmidt, wie kam die Entscheidung zustande, dass Sie im letzten Sommer zwei Schritte zurück in die Kreisklasse A gegangen sind? Waren es »Heimatgefühle« oder gab es andere Faktoren?

Bodo Schmidt: Mein Co-Trainer und ich haben im Februar vor Ablauf der Saison bei Frisia aufgehört, es folgte eine fußballlose Zeit. Vom TSV kam dann irgendwann jemand auf mich zu und fragte: 'Könntest du dir das vorstellen?'. Ich musste aber erst mal Abstand gewinnen. Später wurde der Kontakt dann aber wieder aufgenommen und im Kopf ist die Idee gereift: Das ist eine reizvolle Aufgabe bei dem Verein, wo ich groß geworden bin, wo der Fußball schon einmal einen deutlich größeren Stellenwert hatte, als es heute der Fall ist. Das bekam dann eine Eigendynamik. 

Welche Verhältnisse haben Sie in Niebüll bei ihrer Amtsübernahme vorgefunden?

Heute vor einem Jahr war die Mannschaft im Tabellenkeller. Es musste alles investiert werden, um sich in der Rückrunde noch vor dem Abstieg in die Kreisklasse B zu retten. Heute sind wir klar Erster und haben das Ziel, aufzusteigen. Bestimmte Sachen sind hier aber verbesserungswürdig. Das können wir aber nicht alleine - wir können nur Anstöße geben. Das geht in einem Verein nicht von heute auf morgen.

Was hat sich seit Beginn der Saison bereits strukturell verändert? Gibt es eine Aufbruchstimmung?

Wir bekommen jetzt einen Kunstrasenplatz, was wirklich außergewöhnlich ist in dieser Region. Hier bewegt sich was, im nächsten Jahr wird wieder eine eigene A-Jugend angemeldet, was enorm wichtig ist, da wir vom Unterbau der Jugendarbeit leben. Bisher kommt kein Nachschub von unten. Wir arbeiten daran, dass das in ein bis zwei Jahren funktioniert. Solange müssen die älteren Spieler noch durchhalten (lacht).

In der Liga marschieren Sie unaufhaltsam zum Aufstieg. Wo wollen Sie langfristig mit dem Verein hin? Gehört es zu den Überlegungen, irgendwann zu Frisia aufzuschließen als »Zweite Kraft« in der Region?

Für mich war es gar nicht selbstverständlich, dass wir als Tabellenführer durch die Gegend laufen. Viele von außen sagen: Mit der Mannschaft muss das so sein - das ist aber immer leicht gesagt. Es funktioniert aber, daher ist das Ziel der Aufstieg in die Kreisliga. Mittelfristig gehört Niebüll aus meiner Sicht in die Verbandsliga. Eine Stadt mit 10.000 Einwohnern muss mit Leck, Lindholm oder Langenhorn-Enge zumindest auf Augenhöhe sein. Das heißt aber nicht, dass das unbedingt klappen muss, weil wir keine großen Mittel in die Hand nehmen können. Wie beim FC Sylt (2008-2012, gegründet und finanziert von Hotelier Volker Koppelt, Anm. d. Red.) funktioniert es hier nicht.

Kim Grzybeck kommt

Gibt es schon Signale, die über die aktuelle Spielzeit hinausgehen? Sind bereits Neuzugänge in Aussicht? 

Neuzugänge sind ein Thema für uns. Wir sind da bemüht, es ist aber nicht einfach, weil wir nicht mit irgendwelchen Mitteln locken können. Ein Neuzugang ist auf jeden Fall Kim Grzybeck, der viele Jahre bei mir in der ersten Mannschaft von Frisia gespielt hat. Wir schauen uns weiter um, es sollten dann aber auch Spieler sein, die uns wirklich weiterhelfen. Wir haben eine funktionierende Mannschaft und verfallen nicht in Hektik. 
Verfolgen Sie eigentlich noch die Entwicklung Ihres Ex-Vereins Flensburg 08? Was halten Sie von den Fusionsplänen zwischen »Nullacht« und Weiche? Es könnte ja eine verstärkte Sogwirkung für junge Talente in Richtung Flensburg geben.
Ich verfolge den Fußball in Flensburg weiterhin und begrüße das, was da passiert, zu einhundert Prozent. Ich selbst habe bis in die B-Jugend in Niebüll gespielt, bin dann nach Flensburg gewechselt. Ich bin den gleichen Weg gegangen, warum sollte ich das dann schlecht finden. Wenn jemand in der Region hochtalentiert ist, wie zuletzt Jannik Drews, der zu Weiche gegangen ist, dann wünscht man das solchen Talenten. Generell glaube ich, dass sowas längst Zeit ist. Auch im meiner Trainerzeit bei »Nullacht« war das mal Thema, TSB, 08, DGF und Weiche zusammenzukriegen. Das hat wegen Einzelinteressen in den Vereinen nicht geklappt. Es wäre zu wünschen und zu begrüßen, wenn es klappt.



Das ist Bodo Schmidt

• Geboren am 3. September 1967
• Vereine als Spieler: TSV Rot-Weiß Niebüll, TSB Flensburg, FC Bayern München (Amateure), SpVgg Unterhaching, Borussia Dortmund, 1. FC Köln, 1. FC Magdeburg, Flensburg 08
• Vereine als Trainer: Flensburg 08, SV Frisia 03, TSV Rot-Weiß Niebüll
• Bilanz: 2 x Deutscher Meister, 181 Bundesligaspiele, 3 Tore
• Position: Abwehr
• Beruflich: Physiotherapeut in Niebüll