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Jedes Spiel ist für mich Adrenalin

Mit Lässigkeit und viel Humor führte Sportjournalist Gerhard Delling sein Publikum durch 50 Jahre Bundesliga, Nordfriesland Tageblatt 23.05.2014

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 Erinnerungen: Die Fans sichern sich eines der signierten Delling-Bücher für Zuhause.

Was hat ein langjähriger Sportreporter Fußballfreunden und auch solchen, die es erst noch werden könnten, zu erzählen? Eine Menge. „50 Jahre Bundesliga – Wie ich sie erlebte“ – so der Titel des fast 500 Seiten umfassenden Buches, geben da einiges her. Geschrieben hat es der unter anderem aus vielen Championsleague- und Länderspiel-Übertragungen bekannte Journalist Gerhard Delling (54). Keine Lesung, ein lockeres Interview hielt die Zuhörer in der Niebüller Stadthalle zweieinhalb Stunden lang bei der Stange und auf den Stühlen. Eine Pause gab es nicht, aber die werden die wenigsten vermisst haben. Ein Abend – nicht nur für Fußballfans. Auch jene, die ansonsten nichts mit dem runden Leder am Hut haben, kamen auf ihre Kosten. Und das lag zweifelsohne an dem Erzählstil, der Ungezwungenheit und den Dingen, die Gerhard Delling da zum Besten gab.

Raymond Madsen, den mit Delling neben einer langjährigen Freundschaft auch eine gemeinsame Zeit als Kicker in einer Kieler Uni-Auswahl verbindet, übernahm dabei den Gegenpart. Gefrotzel („Du (Delling) kommst aus Büdelsdorf – das ist nun ein Ort, wo noch niemand gewesen sein muss“, „Hast Du das Buch abgeschrieben?“), kleine Schlagabtausche, hin und wieder kurze Passagen aus dem Buch, die Madsen äußerst unterhaltsam vortrug. Keine Selbstverständlichkeit, denn Vorlesen kann nun einmal nicht jeder.

Die Zuhörer waren begeistert, quittierten die gelungene Mischung aus Unterhaltung und Information mit gebannter Aufmerksamkeit, Lachern und neugierigen Fragen. Große Namen, unvergessliche Ereignisse sind es, die Spaß machen, mit Gerhard Delling auf Zeitreise zu gehen. Das erste zufällige Zusammentreffen als Junge in einer Hamburger Karstadt-Filiale mit Idol Uwe Seeler („Er war damals ein Weltstar, wie heute beispielsweise Ronaldo“), dann später, als Delling für den NDR im Wembley Stadion auf den großen Keven Keegan (63) traf und trotz Verspätung von dem sympathischen Spieler ein Interview bekam.

Unvergessen auch jener Moment, als der noch junge NDR-Reporter Anfang der 80-er Jahre unmittelbar vor einem Topspiel HSV gegen Bayern München im Hamburger Volksparkstadion losgeschickt wurde, um von HSV-Trainer Ernst Happel (1925-1992) Aufstellung und Taktik zu erfragen. Ein aussichtsloses Unterfangen, berichtete Delling, da „der Grantler“ damals mit keinem Journalisten sprechen wollte. Das aber wusste er nicht, marschierte unter den bösen Blicken der Berufskollegen („Als wollten sie mich auffressen“), die gar nicht erst den Versuch unternommen hatten, auf den Trainer zu. „Er nahm gar nicht erst meine Hand, blieb stehen, ging einen Schritt zurück, fixierte mich, und hatte wohl Mitleid mit meiner jämmerlichen Gestalt“, so Gerhard Delling lachend. „Er umarmte mich, fragte ,Was willst Du denn wissen?‘ und erzählte drei bis vier Minuten. So erfuhr ich, dass Beckenbauer an dem Tag auf der Bank bleiben sollte, weil er nicht fit war.“ Zurück wollten seine Kollegen ihm zunächst nicht glauben, was er geschafft hatte. Delling: „Ernst Happel ist derjenige, dem ich meine Karriere verdanke.“

Der Fernsehmoderator lief Schritt für Schritt zur Höchstform auf, ließ sich in seinem Erzählfluss kaum bremsen. Seine Zeit als Spieler in der Uwe-Seeler-Traditionsgemeinschaft, sein erstes ruppiges Zusammentreffen mit Wolfgang Overath (70) auf dem Platz in Westerland beim Gerangel um den Ballbesitz („Er sagte mir später: ,Mach Dir nichts draus. Ich bin immer so.‘“) und seine Begegnungen mit den Gladbacher Fohlen um Günter Netzer ließ Delling nicht aus. Zu Letzterem, mit dem ihm – auch durch die späteren gemeinsamen, berühmt gewordenen Wortgefechte im Fernsehen – ein besonderes Vertrauensverhältnis und eine „Sie“-Freundschaft verbindet, gestand er: „Ich kenne niemanden in Deutschland, der so viel von Fußball versteht.“

Gerhard Delling nahm ausführlich Stellung zum Sponsoring im Fußball (Frage von Raymond Madsen: „Schießt Geld Tore?“ Antwort: „Nein, aber es erleichtert vieles.“), beklagte die verpassten Chancen von Schleswig-Holsteinischen Mannschaften bei ihren Aufstiegskämpfen in die Regionalliga („Die Menschen hier sind bescheiden und bodenständig. Oftmals fehlt der Ehrgeiz“).

„Können Sie noch mitfiebern? Oder blieb das auf der Strecke?“, wollte ein Zuhörer wissen. „Jedes Spiel ist für mich immer Adrenalin“, gestand Delling. „Schlimm ist es für mich, ein Fußballspiel anzusehen und nichts zu tun zu haben. Ich kann auch Fan sein.“

Die Veranstaltung, organisiert von der VR-Bank Niebüll und ein Geschenk an den TSV Rotweiss zu dessen 125-jährigen Bestehen, hätte noch mehr Besucher verdient. Die Erlöse des Abends gehen zur Hälfte an die Jugendfußballarbeit des TSV sowie an die Uwe-Seeler-Stiftung.


Gerhard Delling „50 Jahre Bundesliga – Wie ich sie erlebte“, 480 Seiten, Verlag Die Werkstatt (Göttingen), ISBN: 978-3-89533-887-8